Lobbyismus in der EU am Beispiel der REACH-Verordnung


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 Lobbyismus in der EU am Beispiel der REACH-Verordnung
oder auch "Registrierung, Bewertung und Authorisierung von Chemikalien
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1980 führte die EU-Kommision eine Meldepflicht für chemische Stoffe ein, welche allerdings nur für sog. „Neustoffe“ galt, jene, die nach 1981 eingeführt werden, und welche nur ca. 2700 der eingesetzten Stoffe ausmachen.Wird von diesem Stoff weniger als 1t pro Jahr produziert, reicht oftmals eine vereinfachte Anmeldung ohne die ca.80k€ für die Grundprüfung. Die restlichen 100000 sog. „Altstoffe“, welche immerhin 97.4% stellen, brauchen gar nicht angemeldet zu werden, und wie viele von ihnen im Umlauf sind, weiß niemand. Man weiß auch nicht, wie viele von ihnen welche giftigen, Zell- oder Erbgut schädigenden Eigenschaften haben oder ob und wo sie sich im Körper anreichern. Aber hin- und wieder fällt einer auf, wird durch alle Medien gereicht und der Aktienkurs von irgendeinem Spielwaren-, Sportschuh- oder Dosenfutter-Fabrikanten bekommt eine Delle. 300 schädliche „Altstoffe“ hat man schon im Körper nachweisen können[1].

Das Chemikalienrecht der EU ist auf das Bemühen zurückzuführen, Standards im Bereich des industriellen Gesundheits- und Arbeitsschutzes zu gewährleisten. Vorschriften für die Sicherheit am Arbeitsplatz sind in der Grundrichtlinie der Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) von 1967 enthalten (Richtlinie 67/548/EWG). Diese Richtlinie bezieht sich auf die Gesetze, Regulierungen und Verwaltungsvorschriften, die die Klassifizierung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe vorschreiben. Das Hauptanliegen war der Schutz am Arbeitsplatz und der allgemeine Gesundheitsschutz durch die Entwicklung eines Klassifikations- und Kennzeichnungssystems für chemische Substanzen. Das System sollte gleichzeitig den innergemeinschaftlichen Handel mit Chemikalien erleichtern und den Austausch von Informationen über Chemikalien und deren Gefahrenpotential verbessern[2].

Ab 1992 hieß die EWG nun Europäische Gemeinschaft (EG) und war auch für eine gemeinsame Umweltpolitik zuständig. Daher sollten 1993 die 140 gefährlichsten und umstrittensten Stoffe bewertet werden. Die damaligen Umweltminister – seitens der BRD war dies der über die Beeinflussbarkeit privater Pläne, dargestellt an der unternehmerischen Standortentscheidung[3] promovierte, studierte Volkswirt Dr. Klaus Töpfer von der CDU – setzen auf freiwillige Mitarbeit der Industrie, welche auch folgerichtig ausblieb.

1998 beschloss man nun, die Industrie zu verpflichten, ca. 30.000 Stoffe, darunter 1000 besonders besorgniserregende Substanzen, testen zu lassen und das Ergebnis den Behörden zur eventuellen Zulassung vorzulegen. Außerdem war eine Informationspflicht über die Chemikalien vorgesehen – der Verbraucher sollte wissen, was in seinen Produkten steckt[4]. Das schließlich am 27. Februar 2001 veröffentlichte Strategie für eine zukünftige Chemiepolitik war ein Supergau für die Vorstandsetagen von Bayer, BASF und Konsorten. Und ein Politikum, denn durch die Umsetzung hätte zwar ein zweistelliger Milliardenbetrag im

Gesundheitswesen eingespart werden können, wenn hunderte gesundheitsschädliche und/oder allergieauslösende Mittel vom Markt genommen werden müssten, jedoch stellt die Chemieindustrie mit 1.7 Mio. Arbeitsplätzen, ein Drittel davon in Deutschland, den drittgrößten Wirtschaftszweig der EU[5].

Die Lobbyverbände der Industrie, welche allein zwischen 2002 und 2006 durch das vom damaligen Innenminister Otto Schily vorgeschlagene Austauschprogramm „Seitenwechsel“ 100 sogenannte 'externe Mitarbeiter' an die Bundesministerien und das Bundeskanzleramt ausgeliehen hatten[6], und daher über alle Gesetzesinitiativen von Anfang an Bescheid wussten, regierten prompt: Der TransAtlantic BussinesDialogue (TABD), ein Verband aus über 100 Europäischen und US-Amerikanischen Firmen behauptete einen Verstoß gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO, die US-Regierung sah darin ein globales Handelshindernis. Eine vom Bundesverband Deutsche Industrie (BDI) herausgegebene Studie behauptete, die Umsetzung würde allein in Deutschland branchenweit 2,35 Mio. Arbeitsplätze kosten[7] und der Vize-Vorsitzende von BASF und Präsident des Europäischen Chemieindustrieverbandes CEFIC, Eggert Voscherau, sprach sogar von der Deindustrialisierung Europas[8]. Zeitgleich wurden vom deutschen Chemieverband VCI die EU-Abgeordneten zu ausgiebigen Geschäftsessen und zu diversen all-inklusive-Workshops eingeladen. Auch wanderten Schmiergelder in Höhe von 150k€ in die Spendenbeutel der CDU/CSU, 50k€ zur FDP und 40k€ zur SPD[9]. Das die BASF dabei im Jahr 2005 ganz offen zugeben konnte, 235 Politiker auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene unter Vertrag zu haben, zeigt, wie normal das alles geworden war[10].

Wolfgang Clement:
Begleitend wurde bereits im August 2003 vom Bund der Deutschen Industrie ein Gutachten mit dem Titel Wirtschaftliche Auswirkungen der EU-Stoffpolitik in Auftrag gegeben, welche bis zu 6.4% Verlust in der Bruttowertschöpfung der Industrie herbeifaselt und 1.7M Jobs in Deutschland in Gefahr sieht[11], sollte die Richtlinie umgesetzt werden. Am 17. September 1003 übernahmen fast alle Tageszeitungen den Blödsinn unrecherchiert, während die vernichtende Kritik an der Methodik der Studie durch eine Expertenrunde des Bundesumweltamtes sowie des Sachverständigenrates für Umweltfragen in den Medien nicht erwähnt wurde[12]. Das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit unter Wolfgang Clement, hatte diese Studie kofinanziert, und Clement, welcher Hartz-IV-Empfänger mit Parasiten verglich[13], übernahm die Panikmache der Chemie-Industrie nahezu wortgleich. Clement parasitierte danach in den Vorständen von RWE, der Lohnsklavenfirma Adecco Zeitarbeit, Citigroup, Versatel, Dussman und des viertgrößten Zeitungsverlages DuMont Schauberg.

Hartmut Nassauer:
Besonders hervorgetan bei der Torpedierung von REACH hat sich der ehemalige hessische Innenminister Hartmut Nassauer, welcher für die Europäische Volkspartei als CDU-Abgeordneter im Europäischen Parlament saß, und deren Fraktion er von 1999 bis 2006 den Führer und anschließend bis 2009 dessen Stellvertreter machte. Viel wichtiger aber ist, dass er sich seine über 250 Änderungsanträge zu REACH teilweise direkt vom Verband Chemische Industrie diktieren ließ, wie dieser sich in seinem Bericht aus dem Jahr 2005 auchrühmte. Und er hatte Erfolg: zwei Drittel der Stoffe, deren Unbedenklichkeit die Industrie durch geeignete Prüfungen zu bescheinigen hätte, wurden von den REACH-Regelungen befreit.

Quellen:
1 Der gekaufte Staat • Sascha Adamek & Kim Otto, 2009,
ISBN 978-3-462-04099-9, Seite 164 (REACH)
2 Regulierungswettbewerb und Innovation in der chemischen Industrie • Manfred
Fleischer, ISSN Nr. 0722 - 6748, Juli 2001, Seite 5, http://bibliothek.wzb.eu/pdf/2001/iv01-09.pdf
3 Bertelsmann Gütersloh, 1969, laut 'Der gekaufte Staat'
4 http://spiegel.de/wirtschaft/0,1518,461994,00.html
5 Der gekaufte Staat, Seite 165
6 http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/033/1603395.pdf
7 Toxic Lobby - How the chemicals industry is trying to kill REACH • Marco
Contiero (Greenpeace), 2006, http://tinyurl.com/toxiclobby
8 The Guardian • Osborn, A., 15th July 2003 http://guardian.co.uk/business/2003/jul/15/environment.conservation
9 http://dip.bundestag.de/btd/15/055/1505550.pdf
10 Der gekaufte Staat, Seite 167
11 http://reach.bdi.info/Publikationen/ADL_Kurzf_D.pdf
12 Der gekaufte Staat, Seite 170
13 http://tinyurl.com/uw-clement">http://tinyurl.com/uw-clement


Hier das Dossie vom Moderator Rhavin zum Thema dieser Sendung zum Downloaden
mit Abbildungen: http://doc.rhavin.de/reach.pdf

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wichtige Organisation:
http://corporateeurope.org/

Anonym hat gesagt…

ARTE: Dienstag, 12. Februar 2013 um 20.15 Uhr
"The Brussels Business"
(Belgien, Österreich, 2011, 74mn)ZDF
Friedrich Moser, Matthieu Lietaert

Wiederholungen auf ARTE:
24.02.2013 um 01:35
05.03.2013 um 09:45

http://www.arte.tv/de/programm/244,broadcastingNum=1500022,day=4,week=7,year=2013.html

Anonym hat gesagt…

ARTE: Dienstag, 12. Februar 2013 um 21.30 Uhr
"Im Vorzimmer der Macht"
(Deutschland, Frankreich, 2011, 27mn)ZDF
Henno Osberghaus, Anna Grün

Wiederholungen:
24.02.2013 um 02:50
05.03.2013 um 11:00

http://www.arte.tv/de/programm/244,broadcastingNum=1500023,day=4,week=7,year=2013.html

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